Beiträge von Svetlana Mićić

    Lana stellt die Vase mit den Pfingstrosen auf den Tisch, neben das halb gelesene Buch. Die Karte legt sie daneben, ohne sie noch einmal zu lesen – sie weiß, von wem sie ist. Sie steht am Fenster, sieht auf den Fluss. In ihr ist es ruhig. Gavrilo gehört zur Vergangenheit, blass und fern. Vaclav aber – er ist Gegenwart. Und Zukunft. Sie dachte an den Namen, den sie bald tragen würde – Dubel-Hacac. Er hatte Gewicht, Geschichte und dennoch fühlte er sich leicht auf der Zunge an. Svetlana Dubel-Hacac. Es klang wie ein Versprechen. Vaclav war nicht perfekt. Aber er war klar und er war da. Sie greift zum Telefon und wählt seine Nummer.

    Lana legt auf und starrt einen Moment ins Leere. Gavrilos Stimme klingt noch in ihrem Ohr, doch sie fühlt nichts dabei. Das Gespräch war distanziert, wie zwischen zwei Fremden. Seine Worte berühren sie nicht mehr. Sie geht zum Fenster, sieht auf die Stadt. In ihr ist längst etwas abgeschlossen. Was sie vermisst, ist nicht er – sondern etwas, das sie vielleicht längst woanders gefunden hat.

    Die Wohnung selbst ist warm und stilvoll eingerichtet – hohe Decken, Fischgrätparkett und große Fenster mit Blick auf den Fluss. Die Wände sind in sanften Erdtönen gestrichen, hier und da hängen gerahmte Schwarz-Weiß-Fotografien von verfallenen Industrieanlagen aus dem Norden. Im Wohnzimmer steht ein altes, aber bequemes Sofa, davor ein niedriger Holztisch, meist mit einem offenen Buch, einer halb geleerten Tasse Kaffee und einer Vase mit getrocknetem Lavendel.

    Das Apartment in Vinasy liegt im vierten Stock eines alten Jugendstilgebäudes im Viertel Zeleni Gaj, einem charmanten, leicht melancholischen Stadtteil mit viel Kopfsteinpflaster, weinbewachsenen Balkonen und kleinen Cafés, in denen die Zeit langsamer zu vergehen scheint.

    Ein Brief fliegt ins Haus.


    Dragi Vaclave,


    unser gemeinsames Essen neulich war wirklich wunderschön – deine Nähe, dein Lachen, dein Blick haben den Abend für mich zu etwas Besonderem gemacht. Ich habe mich so wohl gefühlt mit dir.


    Ich hoffe sehr, dass wir bald wieder solch einen Moment teilen. Vielleicht bald wieder zu zweit, bei gutem Essen – oder einfach irgendwo, wo wir Zeit füreinander haben.


    In Gedanken bei dir,

    Lana

    Die Entscheidung, Gavrilo in seiner Rolle als Botschafter zu unterstützen, haben wir gemeinsam getroffen. Es ist für uns beide eine aufregende Herausforderung und ich freue mich darauf, diese Reise an seiner Seite zu erleben.


    Die Behauptungen, ich sei unglücklich oder gezwungen worden, sind falsch. Ich sehe unsere Zeit in Tchino als eine wertvolle Gelegenheit, neue Erfahrungen zu sammeln und kulturelle Brücken zu bauen.