Der Fluch der Nettigkeit

  • Der Fluch der Nettigkeit

    KOMMENTAR | Von Chefredakteur Ivica Pomadić


    Wenn man dem politischen Gegner die Tür einen Spalt weit offen lässt, darf man sich nicht wundern, wenn er sie später eintritt. Die Jedinstvo tut derzeit genau das, was Sozialisten eben tun, wenn sie Macht riechen: Sie nutzen sie. Skrupellos, effizient und ohne jene sentimentale Rücksichtnahme, die das bürgerliche Lager so sehr lähmt.

    Dass Severanien heute am Abgrund einer neuen und totalitären Planwirtschaft steht, ist nicht allein die Schuld der Roten. Der wahre Vorwurf trifft jene, die uns heute jammernd vor der „Vereinigten Arbeit“ warnen: die PROGRES.


    Wir erinnern uns ungern, aber wir müssen: Als das WOG (Gesetz über Wirtschaftliche Organisationsformen) geschaffen wurde, verfügten die liberalen Kräfte über die Gestaltungsmacht. Es war die Zeit, in der man die demokratische Marktwirtschaft hätte in Beton gießen können – und müssen. Doch statt ein „Gesetz für unternehmerische Freiheit“ zu schreiben, das Eigentumsrechte unantastbar macht, verliebte sich die PROGRES in ihre eigene Toleranz.


    Man wollte niemanden vor den Kopf stoßen. Man wollte „modern“ sein, „inklusiv“, man wollte den „großen gesellschaftlichen Konsens“. Statt klarer Kante gab es wachsweiche Formulierungen. Statt das Privateigentum als absolut zu setzen, schrieb man Kompromisspapiere, die jedem ein bisschen Recht gaben. Man hatte die Mehrheit, aber man hatte Angst, sie zu nutzen. Man wollte geliebt werden, statt gefürchtet zu sein.

    Dieses politische Phlegma, diese bürgerliche Harmoniesucht, rächt sich nun bitter.


    Die PROGRES glaubte, Politik sei ein Seminar, in dem das bessere Argument zählt und man sich am Ende auf die goldene Mitte einigt. Die Jedinstvo beweist uns nun, dass Politik ein Kampf um Räume ist. Während die Liberalen damals Fenster in die Gesetze bauten, um „offen für alle Seiten“ zu sein, nutzt die Jedinstvo diese Fenster nun als Einstieg für ihre Enteignungskommandos.

    Wer in Zeiten eigener Stärke darauf verzichtet, seine Prinzipien radikal gesetzlich zu verankern, weil er den Konflikt scheut, der liefert dem Gegner die Waffen für die Zukunft. Die Jedinstvo macht heute nicht den Fehler der PROGRES. Sie sucht keinen Konsens mit dem Bürgertum. Sie sucht die Entscheidung.


    Hätte die PROGRES damals den Mut gehabt, ihre Macht auch gegen Widerstände durchzusetzen, stünden wir heute auf einem Fundament, das der sozialistische Wind nicht einfach umblasen könnte. So aber stehen wir in einer Hütte aus gut gemeinten Kompromissen. Und es beginnt zu regnen.

    Es ist eine Lektion in Machtpolitik: Wer den Kompromiss zum Selbstzweck erhebt, verliert am Ende nicht nur die Macht, sondern auch seine Seele. Die PROGRES wollte nett sein. Jetzt zahlen wir die Rechnung dafür.


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