• Quelle: derStandard.at

  • Interessante Analyse aber dieser Teil ist IMHO nicht der Schlüsseltext. Ich schliesse mich aber im allgemeinen nicht diesen Untergangsszenarien der Europäischen Sozialdemokraten an, aus verschiedenen Gründen.


    1) Es waren Europawahlen und bei denen schneiden Sozialdemokratische Parteien oft schlecht ab, weil ihre Stammwähler nun mal nicht so diszipliniert sind wie die Wähler der konservativen Parteien. Man erkennt darum auch einen Zusammenhang zwischen Wahlbeteiligung und Abschneiden der Sozialdemokraten in den verschiedenen Europawahlen.


    2) In beinahe alle Europäischen Ländern sind die regierenden Parteien bestraft worden und das sind in den meisten Ländern nun mal Sozialdemokraten. (Deutschland, Verenigte Königreich, Spanien etc) Das ist wie bei den Landtagswahlen: wenn man die Mehrheit im Bundestag hat verliert man öfter Landtagswahlen, und umgedreht. Die Leute sind doch selten zufrieden mit der Regierung...


    3) Die Sozialdemokratie hat zwar einige ideologische Probleme im Moment aber bei allem Respekt, glaubt wirklich einer das 90 Prozent der Wähler detailliert das Grundsatzprogramm und Wahlprogramm lesen? Wenn die SPD sich beispielsweise in Deutschland erholen will, müssen sie IMHO nur vier Jahre in die Opposition gehen, die Lafontaine 1994-1998-Gedächtnis-Blockade rausholen und dann einen halbwegs vernünftigen Kandidaten aufstellen. Dann sind die ohne Probleme wieder bei 30%+.


    Nur um wirklich die grösste Partei zu werden muss man schon mehr bringen, da Deutschland meiner Meinung nach ein eher konservativ-ländlich geprägtes Land ist und dadurch die CDU eigentlich immer einen strategischen Vorteil hat. Um grösste Partei zu werden muss man gerade in deren Gefilde in der Mitte wildern und gerade nicht wieder in die altlinke Epoche zurück gehen. Die, ach so gefürchtete, Linke hat bei den Wahlen ungefähr 7 Prozent geholt, davor hatte die PDS alleine schon 5 Prozent. Jetzt wieder nach links zu gehen bringt darum strategisch IMHO nichts, man kann da gerade 2, 3 Prozent holen aber verliert viel mehr in der Mitte an die doch immer mehr linksliberal werdenden Grünen oder die CDU.

    *Früherer kaysteranischer Präsident
    *Medienunternehmer und Großaktionär von ANTENA S
    "*Eigentümer von NK Dinamo Duranje

    Einmal editiert, zuletzt von Duro Jurković ()

  • Zitat

    Original von Duro Jurković
    1) Es waren Europawahlen und bei denen schneiden Sozialdemokratische Parteien oft schlecht ab, weil ihre Stammwähler nun mal nicht so diszipliniert sind wie die Wähler der konservativen Parteien. Man erkennt darum auch einen Zusammenhang zwischen Wahlbeteiligung und Abschneiden der Sozialdemokraten in den verschiedenen Europawahlen.


    Ein Wunder ist es nicht, denn die sog. "Europawahlen" machen nicht unbedingt Sinn.


    Zitat

    2) In beinahe alle Europäischen Ländern sind die regierenden Parteien bestraft worden und das sind in den meisten Ländern nun mal Sozialdemokraten. (Deutschland, Verenigte Königreich, Spanien etc) Das ist wie bei den Landtagswahlen: wenn man die Mehrheit im Bundestag hat verliert man öfter Landtagswahlen, und umgedreht. Die Leute sind doch selten zufrieden mit der Regierung...


    Wie passen Frankreich und Italien in diese Theorie?


    Zitat

    3) Die Sozialdemokratie hat zwar einige ideologische Probleme im Moment aber bei allem Respekt, glaubt wirklich einer das 90 Prozent der Wähler detailliert das Grundsatzprogramm und Wahlprogramm lesen? Wenn die SPD sich beispielsweise in Deutschland erholen will, müssen sie IMHO nur vier Jahre in die Opposition gehen, die Lafontaine 1994-1998-Gedächtnis-Blockade rausholen und dann einen halbwegs vernünftigen Kandidaten aufstellen. Dann sind die ohne Probleme wieder bei 30%+.


    Da liegt ja der Hase im Pfeffer: Ohne Not wurde sogar (rechtlich nicht ganz sauber) die Bundestagswahl vorgezogen, nur um die ausgebrannte Führung und ihre von der Realität widerlegte Ideologie zu retten - auf Kosten der Partei. Mit Müntefering und Steinmeier wird es keinen Neuanfang und keine Erholung geben; die werden die Große Koalition fortsetzen und das einfach mit der "schwierigen wirtschaftlichen Lage" begründen.


    Zitat

    Nur um wirklich die grösste Partei zu werden muss man schon mehr bringen, da Deutschland meiner Meinung nach ein eher konservativ-ländlich geprägtes Land ist und dadurch die CDU eigentlich immer einen strategischen Vorteil hat. Um grösste Partei zu werden muss man gerade in deren Gefilde in der Mitte wildern und gerade nicht wieder in die altlinke Epoche zurück gehen. Die, ach so gefürchtete, Linke hat bei den Wahlen ungefähr 7 Prozent geholt, davor hatte die PDS alleine schon 5 Prozent. Jetzt wieder nach links zu gehen bringt darum strategisch IMHO nichts, man kann da gerade 2, 3 Prozent holen aber verliert viel mehr in der Mitte an die doch immer mehr linksliberal werdenden Grünen oder die CDU.


    Welche "altlinken" Gefilde denn? Es ist doch nicht so, dass unter Brandt und Schmidt Daimler zum VEB wurde... Das linke Potenzial ist deutlich größer, als SPD und PDS zusammen. Die Grünen "werden" auch nicht linksliberal, sie sind es seit jeher. Die waren nur so blöd und haben ihren ostdeutschen Bürerrechtler-Flügel völlig marginalisiert. Würde sich die SPD - die im Gegensatz zur PDS, CDU und FDP nicht im DDR-System verstrickt war - neu aufstellen (eben ohne Verfassungsgefährder wie Schily und Zypris) und die Bürgerrechtlicher und Friedensaktivisten aus Ost und West wieder einsammeln, wären die Grünen wieder eine Müsli-Sekte.

  • Zitat

    Original von NataŠ¡a Jović
    Ein Wunder ist es nicht, denn die sog. "Europawahlen" machen nicht unbedingt Sinn.


    Das würde ich aber gerne erläutert haben.


    Zitat

    Wie passen Frankreich und Italien in diese Theorie?


    Nun, in den beiden Ländern sind die Parteien soweit ich weiss (bin jetzt kein Experte jener Länder) einfach organisatorisch in einem desolaten Zustand. In Frankreich hat sich die PS ja soweit ich weiss kürzlich noch selbst zerfleischt.



    Zitat

    Da liegt ja der Hase im Pfeffer: Ohne Not wurde sogar (rechtlich nicht ganz sauber) die Bundestagswahl vorgezogen, nur um die ausgebrannte Führung und ihre von der Realität widerlegte Ideologie zu retten - auf Kosten der Partei. Mit Müntefering und Steinmeier wird es keinen Neuanfang und keine Erholung geben; die werden die Große Koalition fortsetzen und das einfach mit der "schwierigen wirtschaftlichen Lage" begründen.


    Das ist halt immer das Problem, das Leben auf den Oppositionsbänken ist immer sehr einfach (wie man an der Linkspartei sieht): man fordert alles und ist für nichts verantwortlich. Und wenn man sich nicht allzu dumm anstellt gewinnt auch immer bei den Wahlen dazu. Nur ist es natürlich die Frage ob man lieber auf der Oppositionsbank sitzt und dort hohe moralische und ideologische Ansprachen hält oder sich halt an die dreckige Realität innerhalb der Regierung wagt. IMHO ist das Ziel einer Partei etwas zu verändern, und kann man darum lieber das zweite machen.


    Zitat

    Welche "altlinken" Gefilde denn? Es ist doch nicht so, dass unter Brandt und Schmidt Daimler zum VEB wurde... Das linke Potenzial ist deutlich größer, als SPD und PDS zusammen. Die Grünen "werden" auch nicht linksliberal, sie sind es seit jeher. Die waren nur so blöd und haben ihren ostdeutschen Bürerrechtler-Flügel völlig marginalisiert. Würde sich die SPD - die im Gegensatz zur PDS, CDU und FDP nicht im DDR-System verstrickt war - neu aufstellen (eben ohne Verfassungsgefährder wie Schily und Zypris) und die Bürgerrechtlicher und Friedensaktivisten aus Ost und West wieder einsammeln, wären die Grünen wieder eine Müsli-Sekte.


    Beide Parteien haben halt ihre "Puffer-Kleinparteien": die Schwäche der SPD ist die Stärke der Grünen. (Bei der CDU und der FDP ist es ja dasselbe) Man darf ja nicht vergessen das unter dem bösen, bösen Hartz IV-Schröder die SPD zweimal die grösste Partei war. (Nur 1972 war die SPD davor mal grösste Partei).


    Ich hab mir mal die Mühe gemacht die Stimmen des "Linken Lagers" (SPD, Grüne, PDS, Linke) seit 1969 zusammen zurechnen und drei der vier besten Ergebnisse waren mit Schröder. (Der andere Wert war mit Scharping) Ein Grund ist sicher das man mit den neuen Bundesländer viele potentielle Neuwähler dazu bekam, ein anderer aber auch das er viel von der CDU wegholte. Die Wahlen 1998/2002/2005 hatten die drei schlechtesten CDU-Ergebnisse aller Zeiten. Taktisch scheint es mir darum sinnvoller in der Mitte zu bleiben und die zwei, drei Prozent die man dann zur Linken verliert halt zu akzeptieren.

    *Früherer kaysteranischer Präsident
    *Medienunternehmer und Großaktionär von ANTENA S
    "*Eigentümer von NK Dinamo Duranje

  • Zitat

    Original von Duro Jurković
    Das würde ich aber gerne erläutert haben.


    Angesichts der Machtverteilung auf EU-Ebene - die sich auch durch den sog. Verfassungsvertrag nur unwesentlich ändert - nimmt man durch die Bundestagswahl deutlich mehr Einfluss auf EU-Entscheidungen als durch die Teilnahme an der EU-Parlamentswahl. Zumal dort schon vorher angekündigt wurde, dass die Große Koalition fortgesetzt und an Barroso festgehalten wird. Für dieses Kasperletheater ist mir meine Zeit zu schade.


    Es war doch bezeichnend, dass die Parteien bei der EU-Parlamentswahl überwiegend auf nationale Themen setzten.


    Zitat

    Nun, in den beiden Ländern sind die Parteien soweit ich weiss (bin jetzt kein Experte jener Länder) einfach organisatorisch in einem desolaten Zustand. In Frankreich hat sich die PS ja soweit ich weiss kürzlich noch selbst zerfleischt.


    Die Regierungsparteien wurden dort aber eben nicht abgestaft. Auch bei uns hat es nur den kleineren Regierungspartner SPD getroffen, während die Union ziemlich stabil blieb. Das EU-Ergebnis war in erster Linie keine Abstrafung für Regierungsbeteiligungen, sondern für Konzeptlosigkeit. Konservative Parteien trifft so etwas nicht; deren Wähler erwarten keine Konzepte, nur Führung.


    Zitat

    Das ist halt immer das Problem, das Leben auf den Oppositionsbänken ist immer sehr einfach (wie man an der Linkspartei sieht): man fordert alles und ist für nichts verantwortlich. Und wenn man sich nicht allzu dumm anstellt gewinnt auch immer bei den Wahlen dazu. Nur ist es natürlich die Frage ob man lieber auf der Oppositionsbank sitzt und dort hohe moralische und ideologische Ansprachen hält oder sich halt an die dreckige Realität innerhalb der Regierung wagt. IMHO ist das Ziel einer Partei etwas zu verändern, und kann man darum lieber das zweite machen.


    Natürlich muss es das Ziel jeder ernstzunehmenden politischen Kraft sein, zu regieren, ihre Ziele umzusetzen. Dazu muss man aber auch Ziele haben und diese sollten sich vom Angebot der anderen unterscheiden. Wenn ich weniger Steuern für Spitzenverdiener, keine Kontrolle der Finanzmärkte, Abbau der Bürgerrechte usw. haben will, dann wähle ich gleich CDU oder FDP, nicht die Kopie der "neuen Mitte". Bislang konnte die SPD sich noch halbwegs damit retten, das "kleinere Übel" zu sein. Dieser Bonus ist aber langsam aufgebraucht.


    Es ist schön, dass es die SPD wieder mit einem zu schwarzgelb konträren Programm versucht. Sie darf es aber nicht wieder der Regierungsbeteiligung willen zum Großteil über Board kippen.


    Zitat

    Beide Parteien haben halt ihre "Puffer-Kleinparteien": die Schwäche der SPD ist die Stärke der Grünen. (Bei der CDU und der FDP ist es ja dasselbe) Man darf ja nicht vergessen das unter dem bösen, bösen Hartz IV-Schröder die SPD zweimal die grösste Partei war. (Nur 1972 war die SPD davor mal grösste Partei).


    Der Sieg 1998 war doch völlig klar, so ausgebrannt wie Kohls Truppe war. Sie hat aber mit einem linken Programm gewonnen, welches die Handschrift Lafontaines trug. Bereits 2002 wäre es eigentlich mit der Ära Schröder und der SPD als Regierungspartei wieder vorbei gewesen, wenn der Stoiber nicht derartig polarisiert und den ganzen Osten vergrault hätte. Wir haben alle herzlich gelacht, als sich "der blauweiße Kraftprotz" schon zum Sieger erklärte. Dabei haben wir aber übersehen, dass es ganz ganz knapp war.


    Von der These "Puffer-Kleinparteien" halte ich gar nichts. FDP und Grüne sind zwei liberale Parteien, so wie es mit SPD und Linke auch zwei sozialdemokratische Parteien gibt. (Wenn die CSU unter Strauß mutiger gewesen wäre, gäbe es auch zwei konservative Parteien auf Bundesebene.) Dass die Grünen fest verankert im linken Block sind, ist eine Illusion. Hamburg war nur der Anfang.


    Zitat

    Ich hab mir mal die Mühe gemacht die Stimmen des "Linken Lagers" (SPD, Grüne, PDS, Linke) seit 1969 zusammen zurechnen und drei der vier besten Ergebnisse waren mit Schröder. (Der andere Wert war mit Scharping) Ein Grund ist sicher das man mit den neuen Bundesländer viele potentielle Neuwähler dazu bekam, ein anderer aber auch das er viel von der CDU wegholte. Die Wahlen 1998/2002/2005 hatten die drei schlechtesten CDU-Ergebnisse aller Zeiten. Taktisch scheint es mir darum sinnvoller in der Mitte zu bleiben und die zwei, drei Prozent die man dann zur Linken verliert halt zu akzeptieren.


    Diese Rechnung ist aber sehr abenteuerlich. Du rechnest die Stimmen von PDS/Linke dem Schröder als Erfolg an, obwohl er und seine Getreuen immer stets auf Abgrenzung und Diffamierung gesetzt haben? Du ignorierst zudem, dass die Union nach Kohl völlig ausgezehrt war und auch noch mit einem Parteispendenskandal zu kämpfen hatte. Die Ära Schröder war für die SPD ähnlich desaströs wie die "Wende" für die FDP 1982.


    Zum Thema "Mitte" verweise ich auf Hotellings Gesetz.

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